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Die Verbesserung der Situation benötigt Arbeit und Zeit

Foto Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau

Der Schlüssel zur Verbsserung der Lage liegt in unserer täglichen Arbeit. Ich meine hier die Edukation nicht nur der meinungsbildenden Kreise, sondern vor allem die Aufklärung der Abentausenden von Besuchern des Museums.

Ein Gespräch mit Piotr M.A. Cywiński, dem Direktor des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau

Was können wir machen, um gegen den in ausländischen Medien sich wiederholenden Ausdruck «polnische Lager« anzukämpfen?

Meiner Überzeugung nach gibt es diesbezüglich zwei Aktivitäten, die sich bewährt haben und die man fortsetzen sollte. Die eine besteht in der regelmäßgen Zusammenarbeit der Auslandspolen mit der Diplomatie. In vielen Fällen ist der Druck, den die territorialen Gemeinschaften auf einzelne Zeitungen ausüben, erfolgreich. Die andere ist längerfristig und besteht in der konsequenten Bildung.

Das Auschwitz-Museum legt einen großen Wert auf die Aufklärung der Journalisten. Wie ist ihre Wirkung?

Der 70. Jahrestag der Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau war das größte mediale Ereignis in der Geschichte des Museums. Aus diesem Anlass haben wir eine umfangreiche Info-Webseite für aus- und inländische Berichtserstatter vorbereitet. Übrigens, wir arbeiten fortlaufend mit den Journalisten aus der ganzen Welt zusammen. Sie werden von uns regelmäßig mit Informationen versorgt. Ich habe keine Zweifel daran, dass dadurch viele dumme und unnötige Fehler vermieden worden sind. Außerdem haben wie die App „Remember” entwickelt. Sie sucht Formulierungen wie etwa «polnische Lager« heraus und empfiehlt einen korrekten Begriff. Dank der App wurde die Sache weltweit bekannt.

Der Schlüssel zur Verbsserung der Lage liegt in unserer täglichen Arbeit. Ich meine hier die Edukation nicht nur der meinungsbildenden Kreise, sondern vor allem die Aufklärung der Abentausenden von Besuchern des Museums. Ich lege große Hoffnung darauf, weil zu uns sehr viele junge Leute kommen. Mir scheint, dass die Situation sich mit der Zeit deutlich bessern wird. Einige Dinge lassen sich nämlich nicht per Gesetz und von heute auf morgen ändern.

Sie  haben nun seit zehn Jahren das Amt des Direktors des Auschwitz-Museums inne. Hat sich in dieser Zeit die Situation verbessert?

Nach meinem Dafürhalten ist das Bewusstsein, bezogen auf den Zweiten Weltkrieg und die Konzentrationslager, größer geworden. Die Journalisten, die sich regelmäßig mit dieser Frage befassen, reagieren sensibler, wenn sie der Bezeichnung «polnische Lager« begegnen. Vor zehn Jahren war das nicht der Fall. Sie machten jedes Mal große Augen, wenn man sie auf diesen falschen Begriff hingewiesen hatte. Jetzt geben immer mehr Journalisten zu, sie hätten das Wort falsch oder unpräzise verwendet. Aber ich fürchte, dieser sprachliche Lapsus würde ab und zu vorkommen. Schuld daran ist das hohe Tempo, mit dem die heutigen Medien arbeiten. Alles muss Hier und Jetzt sein, Korrekturlesen in den Redaktionen gibt es kaum. Aber wir setzen alles daran, um dem Problem, über das wir uns unterhalten, vorzubeugen.

Immer wieder wird gefragt, wer die Täter waren

Foto: das Staatliche Museum Auschwitz-Birkenau

Ich persönlich wurde mit der Frage konfrontiert, wie wir Polen, die hier im Auschwitz Museum arbeiten, uns mit dem Gedanken fühlen würden, für diese Greueltaten zuständg gewesen zu sein. Diese Ignoranz zeigt, wie viel Aufklärungsarbeit uns noch bevorsteht.

Ein Gespräch mit Andrzej Kacorzyk, dem Leiter des Internationalen Bildungszentrums über Auschwitz

Kennen die ausländischen Besucher des Auschwitz-Museums die Geschichte dieses Ortes?

Das Museum wird von Personen mit  sehr unterschiedlichen Kenntnissen über den Holocaust, den Zweiten Weltkrieg und die deutsche Besetzung Polens besucht. Das größte diesbezügliche Bewusstsein besitzen Europäier und Israelis. Die meisten Besucher aus den vom Krieg betroffenen Ländern orientieren sich ebenfalls mehr oder weniger gut, was in Auschwitz passiert ist. Aber bedauerlicherweise fragen auch sie manchmal, wer für die Verbrechen im Lager verantwortlich war. Ich persönlich wurde mit der Frage konfrontiert, wie wir Polen, die hier im Auschwitz Museum arbeiten, uns mit dem Gedanken fühlen würden, für diese Greueltaten zuständg gewesen sind. Diese Ignoranz zeigt, wie viel Aufklärungsarbeit uns noch bevorsteht.

Wie sorgt das Museum dafür, damit die Besucher keine Zweifel hätten, wer die Täter und wer die Opfer waren?

Die Schlüsselrolle spielt hier die meritorische wie didaktische Ausbildung der Mitarbeiter des Besucherdienstes. Jede Gruppe bekommt einen Führer, der nicht nur das Wissen vermittelt, sondern auch im Stande ist, aufkommende Fragen und Zweifel zu beantworten und zu klären.

Die Mitarbeiter des Besucherdienstes verfügen über Sprachkenntnisse von insgesamt 18 Fremdsprachen. Die meisten Besucher können wir also über die Geschehenisse in Auschwitz in ihrer Muttersprache informieren. Bei den Führungen kümmern wir uns auch um  die Exaktheit der vermittelten Botschaften. Das erreichen wir z.B. dadurch, dass – bei bestimmten Termini – ein deutsches Vokabular, sozusagen «Originalsprache« verwendet wird. Da wird den Besuchern eindeutig klar, wer das Lager verwaltet hat sowie für die Verbrechen verantwortlich war. Unsere Fremdenführer werden sensibilisiert, unpersönliche Ausdrucksweise zu vermeiden. Statt den Passivsatz «das Gas wurde in Gaskammern reingeworfen«, der die Täter nicht explizite nennt,  empfehlen wir «Die SS-Männer haben das Zyklon B in die Gaskammern reingeworfen« zu gebrauchen.

Was unternehmen Sie noch, um das Wissen über die Geschichte von Auschwitz der Allgemeinheit nahezubringen?

Wir planen einen neuen Sitz des Internationalen Bildungszentrums über Auschwitz bauen zu lassen. Es liegt uns viel daran, einen Ort zu schaffen, wo man den Besuch in Auschwitz zusammenfassen könnte. Wir wollen nicht – wie das jetzt der Fall ist – dass die Besucher gleich nach der Besichtigung der Gaskammern direkt wieder in den Alltag übergehen und das Gesehene nur mit vorübergehenden Emotionen endet. Wir brauchen eine Stelle, die einen Gedankenaustausch ermöglichen und zum Nachdenken anregen würde. Dadurch wird die Erfahrung, die die Besucher in Auschwitz machen, von längerer Dauer sein.

Das Bildungszentrum über Auschwitz bemüht sich außerdem ständig, sich mit seinem Angebot weltweit zu etablieren. Das bedeutendste Werkzeug dazu ist das Internet, das ermöglicht, neues Publikum zu gewinnen. Die Südamerikaner beispielsweise besuchen uns selten live, sondern sehr oft über unsere Webseite.

Warum taucht also, trotz all dieser Bemühungen, die Fomrulierung «polnische Lager« so oft auf?

Ich glaube, in vielen Fällen resultiert das einfach aus einer Gedankenlosigkeit. Viele ehemalige deutsche Lager liegen heutzutage in Polen, also kommt es zu einem Gedankenkürzel und nun heißt es «polnische Lager«. Ich meine auch, dass gewisse, auf den polnischen Antisemitismus bezogene Stereotypen, eine große Rolle spielen. Aber man muss sich vor Augen führen, warum Hitler gerade Polen zum Zentrum der Judenvernichtung gewählt hat. Nicht deshalb, weil wir Antisemiten oder gar Mittäter waren, sondern weil hierzulande vor dem Krieg sehr viele Juden gewohnt hatten – insgesamt machten sie 10 Prozent Bürger der Zweiten Polnischen Republik aus.

Von Guantanamo behauptet niemand, das sei ein «kubanisches« Gefängnis

Foto Ryszard Waniek/Fotorzepa

Einer der Gründe dafür ist die mangelnde Ausbildung und Sensibilität von Personen, die heutzutage Journalisten werden. Dazu kommt das Internet, in dem jeder schreiben kann, was er nur will.

Ein Gespräch mit Jerzy Haszczyński, dem Leiter des Auslandsressorts der „Rzeczpospolita“.

Vor 10 Jahren haben Sie und die „Rzeczpospolita” eine Kampagne gegen die sich in ausländischen Medien des Öfteren wiederholte Formulierung «polnische Lager« gestartet. Zu diesem Zeitpunkt begann auch die polnische Diplomatie in solchen Fällen zu reagieren. Was hat sich in der Zwischenzeit in dieser Hinsicht getan?

In den renomierten Blättern kommt dieser Ausdruck bestimmt weniger vor. In den USA, deren Medien die Schlüsselrolle bei der Deutung des Zweiten Weltkrieges spielen, verbieten sogar der Pressekodex von vielen Zeitungen sowie die größte amerikanische Nachrichten- und Presseagentur Associated Press, eine solche Bezeichnung zu verwenden. Was allerdings nicht heißt, das sie völlig verschwunden ist. Leider taucht diese Formulierung immer wieder auf. Einer der Gründe dafür ist die mangelnde Ausbildung und Sensibilität von Personen, die heutzutage Journalisten werden. Dazu kommt das Internet, in dem jeder schreiben kann, was er nur will. Manche verteidigen den falschen Begriff, indem sie behaupten, «polnisch« beziehe sich auf die geographische Lage. Angesichts dessen, was im Zweiten Weltkrieg  passiert ist, ist das jedoch eine völlig verkehrte Verteidigungsstrategie. Einem seriösen Journalisten, der nur ein Mindestmaß an Wissen über diese Zeiten hat, würde nie in den Sinn kommen, die Wortfügung «polnische Lager« zu benutzen. Vom amerikanischen Gefangenenlager Guantanamo behauptet doch niemand, das sei ein «kubanisches« Gefängnis.

Wie kam es überhaupt dazu, das deutsche Lager «polnisch« geworden sind?

Dies geschah, als in der Welt darüber entschieden wurde, wie die Ereignisse im Zweiten Weltkrieg letztendlich wahrgenommen werden sollten. Da war Polen ein kommunistisches Land und konnte  an dieser Debatte nicht teilnehmen. Als wir Anfang der 1990er Jahre endlich dabei waren, da waren alle Karten im Spiel um die Geschichte bereits vergeben worden. Außerdem hat Polen auf gewisse Publikationen oder Äußerungen nicht immer entschlossen reagiert. Erst zu Beginn des 21. Jahrunderts, mit der rasanten Entwicklung des Internets und dem dadurch gewonnenen Zugang zu weltweiten Informationen wurden uns der Ernst der Lage und das Ausmaß des Problems klar.

Die Deutschen haben diesen Fehler nicht begangen.

Den Deutschen lag es von Anfang an viel daran, ihr auf den Zweiten Weltkrieg bezogenes historisches Image zu verbessern. Das war ihnen dank erfolgreicher und gezielter Politik sowie großen Geldsummen, die sie diesbezüglich inverstierten, perfekt gelungen. Zusätzlich hatte die Hollywood-Produktion „Schindlers Liste” zur Folge, dass die Weltöffentlichkeit die Botschaft vermittelt bekam, die Deutschen seien doch nicht so schlimm gewesen. Die Leute begannen zu glauben, dass sie nicht für alles verantwortlich waren, dass sie Komplitzen hätten haben müssen. Schon viel früher hörte man auf, die Kriegsverbrecher als Deutsche zu bezeichnen, an ihrer Stelle traten die nicht volksgebundenen Nazis. Die Deutschen verschwanden aus der Geschichte des Zweiten Krieges. Dafür tauchten  «polnische« Lager auf…

Wie sollten wir die Weltöffentlichkeit  davon überzeugen, dass die Lager nicht «polnisch« waren?

Der erfolgreichste Weg zu diesem Ziel sollte zweifellos über die Massenkultur führen. Eine gute Idee wäre zum Beispiel, endlich einen Spielfilm oder eine Fernsehserie zu drehen, die sich einer großen Beliebtheit erfreuen würde, wie etwa türkische historische Fernsehserien oder der deutsche Kriegsdreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter”, der in über 100 Ländern gezeigt wurde. Unsere bisherigen Streifen, die die historischen Unwahrheiten korrigieren sollten, waren nicht gut. Unsere Beamten und Politiker sind nicht im Stande, einen Kinohit zu machen, der das Weltpublikum begeistern würde. Wir brauchen dazu einen polnischen Spielberg.

Konsequentes Handeln bringt schließlich Erfolg

Foto Andrzej Romański

Die wichtigste Sache ist, dass unsere historische Message ständig dort präsent ist, wo ausländische Journalisten und Politiker sich informieren.

Ein Gespräch mit Professor Krzysztof Mikulski, dem Vorsitzenden der Polnischen Historischen Gesellschaft

Fast tagtäglich taucht in ausländischen Medien die Wortfügung «polnische Lager« auf. Wie kann man gegen diese historische Lüge wirksam ankämpfen?

Die Conditio sine qua non ist es, jedes Mal entschieden zu reagieren. In den meisten Fällen resultiert diese Formulierung aus der geschichtlichen Ingnoranz. Jedes Publikmachen und Berichtigen dieses Fehlers hat also eine edukative Funktion und muss zum Hauptelement der polnischen historischen Politik werden.

Dabei darf nicht vergessen werden, dass das journalistische Milieu sich ständig ändert, ständig ergreifen neue Leute diesen Beruf. Daher, um die Verbreitung der Informationen über »polnische Lager« zu stoppen, müssen wir auch präventiv handeln.

Welches Handeln meinen Sie hier?

Die wichtigste Sache ist, dass unsere historische Message ständig dort präsent ist, wo ausländische Journalisten und Politiker sich informieren. Ich meine hier vor allem die von ihnen im jeweiligen Land meistbesuchten Websites, wie z.B. die wikipedia. Wer über den Zweiten Weltkrieg schreiben oder sprechen möchte, der wird diese Quelle bei seinen Recherchen bestimmt gebrauchen. Wir sollten zweispurig verfahren. Erstens, dafür sorgen, dass solche Wissensportale echte Informationen beinhalten. Zweitens, zusätzliche Erklärungen hinzufügen, z.B. warum der Ausdruck »polnische Lager« – historisch gesehen – völlig fehl am Platz ist. Denjenigen, die in der Geschichte nicht bewandert sind, müssen wir helfen, indem wir sie über geprüfte Wissensquellen informieren.

Haben wir dieser Frage bisher keine ausreichende Bedeutung beigemessen?

Man kann sich fragen, ob wir wirklich alles machten, damit unser Handeln Interessierte erreicht hat. Auf jeden Fall müssen wir dieses Handeln ununterbrochen fortsetzen. Ständig müssen Informationen im Internet auf ihre historische Korrektkeit hin geprüft sowie durch Erläuterungen bereichert werden. Wissenschaftliche Abhandlungen und populärwissenschaftliche Publikationen sollten in andere Sprachen übersetzt und auf meistgelesenen Webseiten gepostet werden.

Reicht das, um den jahrelangen Gebrauch von «polnischen Lagern« zu stoppen?

Ich bin überzeugt, dass solch ein konsequentes Handeln früher oder später sicher Erfolg bringt. Im Kampf gegen die Lüge über «polnische Lager« dürfen wir uns keineswegs nur auf die Journalisten beschränken. Wir können verschiedene Events nutzen, um unsere Werte zu fördern. Beispielsweise findet 2017 in Krakau Dritter Kongres der ausländischen Polenforscher statt – eine sehr gute Möglichkeit, diese besonderen Botschafter der Geschichte auf das Probelm der «polnischen Lager« zu sensibilisieren.

Und was halten Sie von der Idee einer hoch budgetierten Film-Produktion, die die polnische Geschichte vermarkten würde?

Empfehlenswert ist jedes Handeln, das Geschichtskenntnisse erweitert. In diesem Fall sollte man aber nicht nur einen guten Film drehen, sondern für ihn auch einen großen ausländischen Filmverleiher gewinnen. Dieser Schritt würde dazu führen, dass der Streifen tatsächlich ein weltweites Publikum erreicht.