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Wie war es wirklich? Deutsche Lager, polnische Helden. Konferenz im Sejm der Republik Polen

Wie sollte man der medialen Vervielfältigung der Lüge über »polnische Konzentrationslager« wirksam entgegenwirken? Wie ist gegen Geschichtsverfälschungen vorzugehen? Was muss Polen tun, um sein internationales Image zu schützen? Antworten u.a. auf diese Fragen suchten Teilnehmer der Konferenz, die im polnischen Sejm vom Łukasiewicz-Institut organisiert wurde. Gäste der Konferenz waren u.a. Ryszard Czarnecki (Vizepräsident des Europaparlaments), Jan Dziedziczak (stellvertretender Außenminister der Republik Polen) sowie Szymon Szynkowski vel Sęk (Parlamentsabgeordneter und Chef der Polnisch-Deutschen Parlamentariergruppe). Die Debatte war ein Teil des Projekts „Wie war es wirklich? Deutsche Lager, polnische Helden”, das das Łukasiewicz-Institut konzipiert hat und zurzeit durchführt. Eines der Ziele dieser Initiative ist es, unter ausländischen Journalisten das Wissen über die heldenhafte Haltung der Polen im Zweiten Weltkrieg bekannter zu machen.

Die Organisatoren die Stiftung des Łukasiewicz-Instituts mögen für das Aufgreifen dieses so wichtigen und aktuellen Themas meine Anerkennungsworte annehmen ‒ schrieb der Parlamentspräsident Marek Kuchciński in einem Brief an die Teilnehmer  der Konferenz. Der Parlamentspräsident betonte „die Notwendigkeit eines entschiedenen Widerspruchs gegen die lügenhaften und sogar verletzenden Formulierugen, die gegen Polen gerichtet werden”.

– Es ist für mich eine große Ehre, an der Konferenz teilnehmen zu dürfen, die eine der wichtigsten Herausforderungen für den polnischen Staat betrifft – sagte Ryszard Czarnecki, der Vizepräsident des Europaparlaments. – Ich freue mich, dass sich im polnischen Sejm ein Kreis von so bedeutenden Personen trifft, die vorhaben, sich für den guten Ruf Polens und der Polen einzusetzen sowie gegen klischeehafte Lügen anzukämpfen. Die Lügen wurzeln in der Ignoranz, werden aber auch oft bewusst eingesetzt – erklärte er.

Laut Czarnecki gäbe es eine allgemeine Tendenz, die Schuld gegen die im Zweiten Weltkrieg begangenen Verbrechen den „Nazis” zuzuschreiben. Eine solche Denkweise sollte vermieden werden, denn es habe kein „Volk der Nazis” gegeben. Die Vervielfältigung von solchen Formulierungen sei der nächste Schritt seitens der Deutschen, für ihre Taten die Hände in Unschuld waschen zu wollen ‒ Hände, die wegen ihrer Kriegsverbrechen noch lange schmutzig bleiben würden.

Der Vizepräsident des Europaparlaments erinnerte in seiner Rede an das Jahr 2005, in dem der 60. Jahrestag der Befreiung des KL Auschwitz begangen wurde. Als eine diesbezügliche Resolution in Vorbereitung war, gelang es den polnischen EP-Abgeordneten zu bewirken, das Wort „Nazis” durch „Deutsche” zu ersetzen. „Der Druck des polnischen Staates ist enorm wichtig, genauso wichtig ist jedoch der Konsens aller unserer meinungsbildenden Kreise. Ich bedauere es sehr, dass hierzulande einige von ihnen im Rahmen einer sog. Pädagogik der Beschämung unwillig sind, das Kind beim rechten Namen zu nennen.” – schloss Ryszard Czarnecki.

– Es ist unsere menschliche Pflicht, an deutsche, auf polnischem Boden gebaute Lager ständig zu erinnern und der Polen, die dort umkamen, zu gedenken. Ich sage diese Worte auch aus persönlichen Gründen. Meine Oma, Bronisława Czarnecka, hat mit dem Rat für die Unterstützung der Juden „Żegota” zusammengearbeitet. Sie zeigte im Krieg eine Haltung, auf die ich stolz bin – erklärte der Vizepräsident des EP. ‒ Ich danke Ihnen für die Einladung zur Konferenz.

Seine Anerkennung für die Organisatoren der Konferenz sprach ebenfalls der Vize-Außenminister Jan Dziedziczak aus. – Indem wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, investieren wir in die Zukunft. Es ist besonders wichtig, unseren ausländischen Partnern die Wahrheit über die polnische Geschichte näherzubringen, weil wir heutzutage Zeiten erleben, in denen die öffentliche Diplomatie eine genauso große Rolle spielt wie die traditionelle. Wir sind dabei in einer komfortablen Lage, denn wir brauchen unsere Geschichte nicht schönzureden. Wir müssen nur verlangen, dass sie wahrheitsgetreu dargestellt wird ‒ sagte Jan Dziedziczak.

Der Minister unterstrich die Tatsache, dass die jetzige Regierung der Partei Recht und Gerechtigkeit eine konsequente historische Politik führt und jede Möglichkeit nützt, das positive Bild Polens weltweit zu fördern. – Eine solche Gelegenheit gaben uns in diesem Jahr die Weltjugendtage und der Besuch von Papst Franziskus in Auschwitz. – Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass die Ankunft von ca. 1 Mio. junger, weltoffener Leute und das mit diesem Event verbundene mediale Interesse an unserem Land eine einmalige Chance für die Präsentation unserer historischen Narration sind. Gemeinsam mit dem Institut für Nationales Gedenken hatten wir daher eine in neun Sprachen verfasste Publikation herausgegeben, die alle Teilnehmer der Weltjugendtage samt akkreditierten Journalisten bekamen. Darin wurden auf eine detaillierte, aber zugleich eingängige Weise die polnische Geschichte sowie die Frage der deutschen Konzentrationslager beschrieben. Wir zeigten, dass Polen als erstes Land dem Dritten Reich entgegentrat und ein weltweit einzigartiges Phänomen im Kampf gegen Deutschland schuf – den polnischen Untergrundstaat – so Jan Dziedziczak.

Nach Meinung des Vize-Außenministers würde der große Vorteil der Publikation des Łukasiewicz-Instituts darin bestehen, dass sie Zeitzeugenberichte, d.h. Geschichten ehemaliger KZ-Insassen, enthält. – Besonders freue ich mich über das Gespräch mit Karol Tendera ‒ fügte Herr Dziedziczak hinzu. ‒ Für den Kampf gegen die Lüge über „polnische Konzentrationslager” sowie für die Verteidigung des guten Rufen Polens wurde der ehemalige Auschwitz-Häftling mit der Bene Merito geehrt, der höchsten Ehrenmedaille, die vom polnischen Außenministerium verliehen wird.

– Es ist wichtig, dass NGOs wie das Łukasiewicz-Institut sich Initiativen anschließen, die sich zum Ziel setzen, die historische Wahrheit wiederherzustellen. Nehmen Sie dafür meinen persönlichen Dank an. Es freut mich sehr, hier bei Ihnen sein zu dürfen – sagte zum Schluss seiner Rede das Regierungsmitglied.

Der Chef der Polnisch-Deutschen Parlamentariergruppe, Szymon Szynkowski vel Sęk begann seinen Auftritt mit einer Gratulation an das Łukasiewicz-Institut. ‒ Das Projekt hat einen Wert an sich, aber seine Bedeutung wird durch seinen meritorischen und politischen Hintergrund noch größer. Die Schirmherrschaft des Präsidenten der Republik Polen, die Unterstützung des Außenministers, des Vizechefs des EP, die Zusammenarbeit mit dem Institut für Nationales Gedenken (IPN) und dem Staatlichen Museum Auschwitz-Birkenau macht es zu einem Prestigeprojekt. Aus diesem Grund hatte ich keine Zweifel daran, dass die Polnisch-Deutsche Parlamentariergruppe ebenfalls zu den Projektpartnern gehören musste – hieß es in seiner Rede.

Der Abgeordnete gab auch einen kleinen Einblick in die Arbeit der von ihm geleiteten Gruppe. – Wir führen mit deutschen Parlamentariern ehrliche Gespräche über unsere Erwartungen, u.a. wie über die Ereignisse im Zweiten Weltkrieg erzählt werden sollte. Wir erklären ihnen, dass auch sie auf den Begriff „polnische Lager” reagieren müssen, um dadurch zusammen mit uns zum Sprachrohr der historischen Wahrheit zu werden – sagte Szymon Szynkowski vel Sęk.

Der Kampf um den guten Ruf unseres Landes ist eines der Grundelemente des Kampfes um die Sicherheit und Unabhängigkeit Polens – so entschieden äußerte sich Maciej Świrski, der Vorsitzende der Organisation „Imageschutz – Polnische Liga gegen Verleumdung”.

Seiner Meinung nach muss die polnische historische Geschichtserzählung professionell vermittelt werden. Es bringt wenig, nur auf unseren verletzten Stolz zu pochen und auf die Lügen hinzuweisen. Die vierjährige Aktivität der Organisation zeigte, dass der beste Weg für die Kommunikation mit der westlichen Öffentlichkeit die Sprache der Political Correctness ist. Die Medien, die den Ausdruck „polnische Konzentrationslager” verwenden, sollte man vor dem Gebrauch von Hassrede (eng. hate speech, discrimination), darunter der Benutzung der „Auschwitz-Lüge” (eng. Holocaust denial) warnen. Ein solches Argument spricht die betroffenen Journalisten an und öffnet ihnen die Augen für das Problem sowie seine Lösung. Für die westlichen Menschen gibt es nämlich nichts Schlimmeres, als Rassisten oder Auschwitz-Lügner abgestempelt zu werden – erklärte Maciej Świrski seinen Standpunkt.

In seiner Rede ging Herr Świrski auch auf ein anderes Problem ein. Alle Mitglieder von „Imageschutz – Polnische Liga gegen Verleumdung” glaubten am Anfang ihrer Tätigkeit, dass ihre Arbeit sich vor allem nach außen hin richten und Lügen in den ausländischen Medien berichtigen würde. Diese Annahme habe sich jedoch als falsch erwiesen, denn etwa die Hälfte der von der Liga unternommenen Schritte müsse sich auf das Inland konzentrieren. – Schuld daran sind Mechanismen, die man als „Industrie der Verachtung” und „Pädagogik der Beschämung” bezeichnen kann. Im Rahmen dieser Mechanismen erscheint die negative Information über Polen zuerst in unseren Medien, dann wird sie in der ausländischen Presse abgedruckt und zum Schluss kommt sie zurück – aber diesmal als „Meinung des Westens über unser Land” – Als Beispiel dafür sind z.B. die antipolnischen Aussagen von Jan Tomasz Gross zu nennen – erklärte der Chef der Liga.

– In der israelischen Zeitung „Haaretz” wurde vor Kurzem Jan Tomasz Gross zitiert. Er behauptete, dass die Polen ca. 100-200 Tsd. Juden getötet haben sollen, was selbstverständlich nicht der Wahrheit entspricht – knüpfte Dr. Mateusz Szpytma an die Worte von Maciej Świrski an. ‒ In solchen Situationen muss man reagieren, deshalb danke ich dem Łukasiewicz-Institut für diese sehr wichtige Initiative – fügte der Vizechef des Instituts für Nationales Gedenken (IPN) hinzu. Nach seinem Dafürhalten kam es in der westlichen Debatte zur „Entstaatlichung” des Problems. Es funktionieren mythische „Nazis” und damit sind nicht nur Deutsche gemeint, sondern auch Polen und andere Nationen werden als solche eingestuft. Im Westen fehle ebenfalls das Wissen darüber, dass unser Land vom Anfang bis zum Ende des Krieges an der Seite der Alliierten kämpfte – sagte Dr. Szpytma.

– Die „Entlügung” der Geschichte wird ein langwieriger Prozess sein, der so lange dauern wird, wie vorher ihre Verfälschung dauerte – bemerkte Professor Jan Żaryn, Senator der Partei Recht und Gerechtigkeit. Die Verfälschung im Falle der Formulierung „polnische Lager” war das Werk der Eliten verschiedener Nationen, das in den Zeiten zustande kam, als Polen auf der internationalen politischen Szene abwesend war. Wir hatten damals keine staatliche Subjektivität und dadurch keine Mittel, diesem entgegenzuwirken. Laut Professor Żaryn sei im Prozess der „Entlügung” der Geschichte der Austausch polnischer Eliten notwendig, denn heutzutage habe für die meisten von ihnen das Polentum keine große Bedeutung. – Mir ist klar, dass diese Worte unhöflich klingen mögen, aber so ist es. Im Grunde genommen ist das Führen der Auslandspolitik mit der Gründung einer Gruppe von Personen verbunden, die für das Bild Polens verantwortlich wären. Die sich für unsere Gesichte nicht schämen und die durch ihre Haltung ein Vorbild sein könnten. Das zu erreichen, ist eines der Hauptziele der Partei, deren Mitglied ich bin und die zurzeit an der Macht ist – erklärte er. Der Senator machte auch auf die große Rolle Deutschlands auf der internationalen Arena aufmerksam. – Es ist unsere Aufgabe, mit den Deutschen in einen Dialog zu treten. Sie sollten unsere Partner werden und uns helfen, das wahre Bild über Polen und unser Volk während des Krieges zu erzählen.

– Im Museum setzen wir auf die tagtägliche Arbeit mit Journalisten und auf die Berichtigung von Fehlern. Wir führen eine edukative Tätigkeit durch, indem wir u.a. Publikationen vorbereiten. Wir erklären, warum es so wichtig ist, ein richtiges Vokabular zu benutzen, z.B. das Wort „Deutsche” statt „Nazis” oder „Hitler und die Seinen” ‒ so Piotr M.A. Cywiński, der Direktor des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau.

– Ich beobachtete fasziniert den langen Prozess, infolge dessen es den Deutschen gelang, sich von den Verbrechen des Dritten Reichs zu distanzieren – gestand Jerzy Haszczyński, der Leiter des Auslandsressorts der Zeitung „Rzeczpospolita”. Er erzählte auch über die seit zehn Jahren währenden Bemühungen der Redaktion, die Bezeichnung „polnische Lager” anzuprangern und zu bekämpfen, und nannte einen Erfolg seines Blattes: Der Pressekodex von vielen Zeitungen sowie die größte amerikanische Nachrichten- und Presseagentur Associated Press haben es untersagt, diese Formulierung zu verwenden.

– Gestern las ich auf der Website des Jüdischen Weltkongresses (WJC) eine Notiz. Sie enthielt die Information, dass über 140 Juden sich „im polnischen Lager Auschwitz” eine Lebensmittelvergiftung zugezogen haben. Bei einem naiven Leser könnte der Eindruck entstehen, dass die polnischen „Neonazis” diese Juden vergiftet haben – machte auf die Aktualität des Problems Krzysztof Wyszkowski, Mitglied des IPN-Kollegiums, aufmerksam.

– Um solchen Formulierungen effektiv entgegenzuwirken, brauchen wir unbedingt die richtige Sprache und wir sollten uns an sie in unseren Debatten konsequent halten – schlug Dr. Maciej Korkuć aus der Krakauer Außenstelle des IPN vor – Zum Beispiel statt „Kampf gegen die Lüge über polnische Todeslager” wäre meiner Meinung nach die Parole „kämpfen wir um die Wahrheit über deutsche Lager” besser. Wir müssen einfach dafür sorgen, dass Gedankenkürzel, die unser Land verunglimpfen, nicht vervielfältigt werden.

Die Diskussionsteilnehmer einigten sich jedoch darauf, dass das eine risikoreiche Idee wäre, da dadurch eine direkte Auseinandersetzung mit dem stigmatisierenden Ausdruck vermieden würde. Das hätte zur Folge, dass er in den ausländischen Medien unkommentiert bleiben würde. Die Redner erinnerten darüber hinaus an einen philologischen Vorschlag, der darauf zielte, die Lüge über „polnische Lager” durch die Bezeichnung „fehlerhafte Codes des Gedächtnisses” zu ersetzen. Ihr Autor war Professor Artur Nowak-Far, Unterstaatssekretär im Außenministerium in der Zeit, als dieses Ressort Radosław Sikorski leitete.

– Im Jahre 2013, als die Bezeichnung auftauchte, schien sie ein Versuch gewesen zu sein, das Thema zu verdunkeln. Leider wird sie immer noch verwendet. Für mich ist der Ausdruck „fehlerhafte Codes des Gedächtnisses” eine Verschleierung der Wirklichkeit. Die lügenhafte Formulierung „polnische Todeslager” sollte man direkt „Auschwitz-Lüge” nennen, da dieser Begriff – vielleicht nicht ideal, aber dafür weltweit bekannt ‒ rechtlich verfolgt werden kann – appellierte Maciej Świrski.

Parlamentspräsident unterstützt das Projekt des Łukasiewicz-Instituts

Warum benutzen die internationalen Medien immer wieder den Ausdruck «polnische Konzentrationslager«? Wie sollte man dem effektiv entgegenwirken? Die Antwort auf diese Fragen suchen Teilnehmer einer Konferenz, die im polnischen Sejm vom Łukasiewicz-Institut organisiert wird. Das Projekt „Deutsche Lager, polnische Helden” wird von Marek Kuchciński, dem Sejmmarschall der Republik Polen unterstützt. Weiterlesen