Von Guantanamo behauptet niemand, das sei ein «kubanisches« Gefängnis

Foto Ryszard Waniek/Fotorzepa

Einer der Gründe dafür ist die mangelnde Ausbildung und Sensibilität von Personen, die heutzutage Journalisten werden. Dazu kommt das Internet, in dem jeder schreiben kann, was er nur will.

Ein Gespräch mit Jerzy Haszczyński, dem Leiter des Auslandsressorts der „Rzeczpospolita“.

Vor 10 Jahren haben Sie und die „Rzeczpospolita” eine Kampagne gegen die sich in ausländischen Medien des Öfteren wiederholte Formulierung «polnische Lager« gestartet. Zu diesem Zeitpunkt begann auch die polnische Diplomatie in solchen Fällen zu reagieren. Was hat sich in der Zwischenzeit in dieser Hinsicht getan?

In den renomierten Blättern kommt dieser Ausdruck bestimmt weniger vor. In den USA, deren Medien die Schlüsselrolle bei der Deutung des Zweiten Weltkrieges spielen, verbieten sogar der Pressekodex von vielen Zeitungen sowie die größte amerikanische Nachrichten- und Presseagentur Associated Press, eine solche Bezeichnung zu verwenden. Was allerdings nicht heißt, das sie völlig verschwunden ist. Leider taucht diese Formulierung immer wieder auf. Einer der Gründe dafür ist die mangelnde Ausbildung und Sensibilität von Personen, die heutzutage Journalisten werden. Dazu kommt das Internet, in dem jeder schreiben kann, was er nur will. Manche verteidigen den falschen Begriff, indem sie behaupten, «polnisch« beziehe sich auf die geographische Lage. Angesichts dessen, was im Zweiten Weltkrieg  passiert ist, ist das jedoch eine völlig verkehrte Verteidigungsstrategie. Einem seriösen Journalisten, der nur ein Mindestmaß an Wissen über diese Zeiten hat, würde nie in den Sinn kommen, die Wortfügung «polnische Lager« zu benutzen. Vom amerikanischen Gefangenenlager Guantanamo behauptet doch niemand, das sei ein «kubanisches« Gefängnis.

Wie kam es überhaupt dazu, das deutsche Lager «polnisch« geworden sind?

Dies geschah, als in der Welt darüber entschieden wurde, wie die Ereignisse im Zweiten Weltkrieg letztendlich wahrgenommen werden sollten. Da war Polen ein kommunistisches Land und konnte  an dieser Debatte nicht teilnehmen. Als wir Anfang der 1990er Jahre endlich dabei waren, da waren alle Karten im Spiel um die Geschichte bereits vergeben worden. Außerdem hat Polen auf gewisse Publikationen oder Äußerungen nicht immer entschlossen reagiert. Erst zu Beginn des 21. Jahrunderts, mit der rasanten Entwicklung des Internets und dem dadurch gewonnenen Zugang zu weltweiten Informationen wurden uns der Ernst der Lage und das Ausmaß des Problems klar.

Die Deutschen haben diesen Fehler nicht begangen.

Den Deutschen lag es von Anfang an viel daran, ihr auf den Zweiten Weltkrieg bezogenes historisches Image zu verbessern. Das war ihnen dank erfolgreicher und gezielter Politik sowie großen Geldsummen, die sie diesbezüglich inverstierten, perfekt gelungen. Zusätzlich hatte die Hollywood-Produktion „Schindlers Liste” zur Folge, dass die Weltöffentlichkeit die Botschaft vermittelt bekam, die Deutschen seien doch nicht so schlimm gewesen. Die Leute begannen zu glauben, dass sie nicht für alles verantwortlich waren, dass sie Komplitzen hätten haben müssen. Schon viel früher hörte man auf, die Kriegsverbrecher als Deutsche zu bezeichnen, an ihrer Stelle traten die nicht volksgebundenen Nazis. Die Deutschen verschwanden aus der Geschichte des Zweiten Krieges. Dafür tauchten  «polnische« Lager auf…

Wie sollten wir die Weltöffentlichkeit  davon überzeugen, dass die Lager nicht «polnisch« waren?

Der erfolgreichste Weg zu diesem Ziel sollte zweifellos über die Massenkultur führen. Eine gute Idee wäre zum Beispiel, endlich einen Spielfilm oder eine Fernsehserie zu drehen, die sich einer großen Beliebtheit erfreuen würde, wie etwa türkische historische Fernsehserien oder der deutsche Kriegsdreiteiler „Unsere Mütter, unsere Väter”, der in über 100 Ländern gezeigt wurde. Unsere bisherigen Streifen, die die historischen Unwahrheiten korrigieren sollten, waren nicht gut. Unsere Beamten und Politiker sind nicht im Stande, einen Kinohit zu machen, der das Weltpublikum begeistern würde. Wir brauchen dazu einen polnischen Spielberg.