Stefan Lipniak: Die Nachwelt darf diese Zeit keinesfalls »so« in Erinnerung behalten

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Foto Andrzej Banaś

So was zu
behaupten,
ist einfach
schrecklich.
Es wäre
verwerflich
und unverzeihlich,
wenn die Nachwelt
diese Zeit auf
eine so lügnerische
Weise in Erinnerung
behalten würde

Es gab so viele deutsche Verbrechen, so viel Leid mussten wir ertragen, so viele Tränen wurden vergossen… Warum spricht man also jetzt von „polnischen Konzentrationslagern”? – fragt der 92jährige Stefan Lipniak, der im Krieg durch die Hölle von vier deutschen KZs ging.

Die Hölle begann mit dem Zwangsarbeitslager Klein Mangersdorf, wo der Zeitzeuge Lipniak ein Jahr verbrachte. Die sorglose Jugend endete für ihn in der Nacht vom 26. auf den 27. Juni 1941, als er – knapp 17 Jahre alt – von der Gestapo festgenommen und anschließend dorthin deportiert wurde. Er war einer von vielen, die durch die Einlieferung ins KZ den Plänen der Organisation Schmelt zum Opfer fielen. Die Organisation wurde gegründet und geleitet vom ranghohen SS-Offizier Albrecht Schmelt. Die Pläne der Organisation sahen den Zwangsarbeitereinsatz in Oberschlesien vor, der für die Entstehung von groß geplanten Bauten für das Dritte Reich tausende kräftige Männer benötigte. – Aber die Deutschen wollten auch das polnische Volk vernichten, indem sie unzählige junge Polen sich zu Tode schuften ließen – sagt Herr Lipniak, der damals beim Bau der Reichsautobahn in der Nähe von Gleiwitz arbeiten musste.

Die Häftlinge in Klein Mangersdorf schufteten tagtäglich 14-16 Stunden. Für die Arbeit, die über ihre Kräfte ging, bekamen sie nur eine kleine Mahlzeit. Selbst der Schlaf brachte ihnen keine Rast und Erholung – in den Lagerbaracken wimmelte es von Läusen und Wanzen.

Zu den nächsten Stationen im Lagerleben von Stefan Lipniak gehörten das Arbeitserziehungslager Rattwitz und das Arbeitslager Markstädt, bis er 1944 schließlich nach Auschwitz III verbracht wurde. Diese Bezeichnung geht auf das Konzentrationslager Monowitz zurück, das sechs Kilometer östlich vom Stammlager Auschwitz I entfernt war und auf dessen Gelände sich die Buna-Werke der I.G. Farben AG befanden. Der Chemiekonzern profitierte enorm von der billigen Arbeitskraft, d.h. von der Zwangsarbeit von Häftlingen. In Monowitz kam auf den jungen KZ-Insassen genau das zu, was er schon von vorher kannte: Enge, Hunger, Gewalt und Tod. – In meinem Arbeitskommando starben vor Erschöpfung täglich drei bis vier Leute. Die Toten wurden sofort durch neue Gefangene ersetzt – erzählt Herr Lipniak. Nach Schätzungen des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau kamen bei der Zwangsarbeit für die I.G. Farben ca. 10 Tausend Häftlinge um.

Trotz der mörderischen Arbeit und unmenschlichen Lagerbedingungen kam Stefan Lipniak mit dem Leben davon. Als die Ostfront näher rückte, wurden die Lager Auschwitz, Birkenau und Monowitz in Richtung Westen evakuiert. Die «Evakuierung« wurde für die Betroffenen zum Todesmarsch. Während dieses Todesmarsches unternahm Stefan Lipniak einen dramatischen, aber erfolgreichen Fluchtversuch. – Der Frost war unglaublich hart und man hat uns gen Westen zu Fuß getrieben. Sehr viele Leute sind vor Kälte, Erschöpfung und Hunger umgekommen (…). Die nicht mehr Marschfähigen wurden von den SS-Männern skrupellos erschossen – berichtet er.

Nach dem Kriegsende baute sich Herr Lipniak ein Leben auf, in dem seine große Leidenschaft, der Fußball, eine wichtige Rolle spielte. Über 20 Jahre war er Schiedsrichter in der Regionalliga in Kleinpolen. An die traumatischen Erlebnisse aus der Vergangenheit erinnert er sich jedoch bis ins kleinste Detail. Daher bricht seine Stimme, wenn er jetzt die Formulierung „polnische Konzentrationslager” hört: – So was zu behaupten, ist einfach schrecklich. Es wäre verwerflich und unverzeihlich, wenn die Nachwelt diese Zeit auf eine so lügnerische Weise in Erinnerung behalten würde.

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