Archiv der Kategorie: Wie war es in Wirklichkeit

Polen – das Land, das im Zweiten Weltkrieg den höchsten Preis zahlten musste

Die deutsche Besetzung Polens (1939–1945) begann mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939. In diesem größten militärischen Konflikt aller Zeiten erlitt Polen die schwersten Verluste. Man geht von über sechs Millionen Personen, d. h. insgesamt 22 Prozent der polnischen Bevölkerung aus, die ihr Leben lassen mussten oder zwangsumgesiedelt wurden. Die Besetzung war äußerst brutal und hinterließ irreparable Schäden, die teilweise bis heute spürbar sind.

Der deutsche Angriff auf die Zweite Polnische Republik am 1. September kam völlig überraschend. Polen hatte trotz des heldenhaften Kampfes von Soldaten und Zivilisten angesichts der militärischen Überlegenheit der Wehrmacht keine Chance. Seine Verbündeten (Frankreich und Großbritannien) ließen das Land im Stich. Gemäß dem geheimen Zusatzprotokoll des Hitler-Stalin-Paktes vom 23. August 1939 marschierten am 17. September sowjetische Truppen in Ostpolen ein. Beide totalitären Systeme, das nationalsozialistische und das stalinistische, teilten am 28. September den polnischen Staat unter sich auf.

Septemberfeldzug, zivile Opfer der Bombardierung Warschaus

Aus der Tatsache, dass die polnische Regierung nach dem deutschen Überfall keine Kapitulation unterschrieben hatte, resultierten brutale Vergeltungsmaßnahmen. Sie hatten vor allem Massenmorde an der Zivilbevölkerung zur Folge. Trotzdem war Polen das einzige Land im von den Deutschen besetzten Europa, das niemals mit dem Feind kollaborierte.

Auf die dem Deutschen Reich direkt angeliederten oder von Nazi-Deutschland besetzten polnischen Gebiete (das Generalgouvernement) kam eine besonders brutale Herrschaft zu. Militärführung und Zivilverwaltung waren in erster Linie auf zwei Ziele bedacht: auf die absolute »Germanisierung« durch »Entpolonisierung« und die maximale Ausbeutung des polnischen Territoriums. Bezogen auf die »östlichen Gebiete« sagte der Generalgouverneur Hans Frank, er habe einen Befehl erhalten, in dem »eine Ausnutzung des Landes durch rücksichtslose Ausschlachtung, Abtransport aller für die deutsche Kriegswirtschaft wichtigen Vorräte, Rohstoffe, Maschinen, Fabrikationseinrichtungen usw., Heranziehung der Arbeitskräfte zum Einsatz im Reich, Drosselung der gesamten Wirtschaft Polens auf das für die notdürftigste Lebenshaltung der Bevölkerung unbedingt notwendige Minimum« gefordert wurden.

Die Deutschen bekämpften rücksichtslos jedes Anzeichen des Polentums. Bei geringstem Widerstand gingen sie brutal vor. Unmittelbar nach dem Einmarsch der Wehrmacht wurden die polnische Presse, die Nachrichtenagenturen und auch der polnische Rundfunk verboten und aufgelöst. In der Folge wurden sämtliche Hochschulen und Oberschulen sowie alle Universitäten geschlossen. Polnische Kulturgüter wurden zerstört oder systematisch geplündert und ins Deutsche Reich verbracht. Die Orts- und Straßennamen wurden verdeutscht. Viele Hauptmärkte erhielten die Bezeichnung »Adolf-Hitler-Platz«. In polnischer Sprache erschienen nur deutsche Zeitungen, in denen man die für die NS-Zeit charakteristische gotische Frakturschrift verwendete.

Die vom Dritten Reich annektierten Gebiete sollten »entpolonisiert«, »entjudet« und vollständig »germanisiert« werden. Die sogenannte Intelligenzaktion bezweckte die planmäßige Ermordung polnischer Eliten. Etwa 100 000 Vertreter  der polnischen Oberschicht (u.a. Wissenschaftler, Lehrer, Ärzte, Juristen, pensionierte Militärs sowie Priester) wurden entweder erschossen oder in Konzentrationslager verschleppt, wo nur eine Handvoll von ihnen dem Tod entkam. Selbst die jüngsten polnischen Bürger fielen der »Germanisierung« zum Opfer. Schätzungen zufolge wurden ca. 150.000 Kinder ihren polnischen Familien entrissen und gezielt in deutsche Familien gegeben, um sie einzudeutschen.

Die Sorge um sein Leben und das seiner Nächsten begleitete jeden Polen tagtäglich. Der deutsche Aggressor missachtete alle internationalen Rechte, darunter auch das Kriegsvölkerrecht. Es wurden selbst bei kleinsten Vergehen harte Repressalien angewendet. Die neuen Machthaber straften auch grundlos – um Angst in der Bevölkerung hervorzurufen und die vollständige Unterordnung zu erzwingen.

Der Polnische Untergrundstaat – ein weltweites Phänomen im Kampf gegen Nazi-Deutschland

Im Zeitraum 1939-45 wurden mehrere Untergrundbewegungen in den von den Deutschen besetzten Ländern gegründet. Der Polnische Untergrundstaat war jedoch eine einzigartige Erscheinung in der Geschichte des europäischen Untergrundes.
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Hölle auf Erden. Deutsche Konzentrations- und Todeslager

Polnische Konzentrations- und Vernichtungslager hat es nie gegeben. Die Orte, an denen Millionen von unschuldigen Opfern gefoltert und ermordet wurden, waren voll und ganz eine deutsche Schöpfung. Die Deutschen hatten ein Lagernetz aufgebaut, das zum Werkzeug der Liquiderung von verschiedenen Nationalitäten wurde. Juden sowie Roma und Sinti verurteilte man auf Grund der Abstammung zur kollektiven Vernichtung. Polen – vorgesehen als billige Arbeitskraft – dienten und starben in Zwangsarbeits- und Konzentrationslagern.

Alles begann in den 1930er Jahren im Deutschen Reich. Gleich nach Hitlers Machtergreifung entstanden erste, improvisierte Haftstätten für „Volksfeinde”. Das erste Konzentrationslager wurde nahe München, bei Dachau eingerichtet. Zunächst diente es der Inhaftierung von politischen Gegnern des NS-Regimes. Dann wurden dort auch deutsche Juden, Zeugen Jehovas und Homosexuelle gefangengenommen. Die Insassen wurden regelmäßig durch Sklavenarbeit zu Grunde gerichtet oder erschossen. Mit Kriegsbeginn und dem Verlauf des Krieges füllte sich das Lager mit Häftlingen aus allen vom Dritten Reich besetzten europäischen Ländern. Das KZ Dachau wurde zum »Muster« für andere Lager – auch für diejenigen, die die Deutschen nach dem Überfall auf Polen am 1. September 1939 in diesem Land errichtet haben.

Freitag, der 14. Juni 1940. Der Tag, an dem der erste Häftlingstransport im KZ Auschwitz eintrifft und die Hölle auf Erden beginnt: 728 polnische politische Gefangene durchschreiten das Tor des Konzentrationslagers Auschwitz. Die Angekommenen wurden sofort jeder Hoffnung beraubt. – Ihr seid hier nicht in ein Sanatorium gekommen, sondern in ein deutsches Konzentrationslager. Sollte es einem von euch hier nicht gefallen, kann er gleich in den Draht gehen. Hier lebt man längstens drei Monate. Falls es Juden gibt, dann können sie zwei Wochen leben. Geistliche – einen Monat. Es gibt für einen Häftling nur einen Weg hier raus: durch den Schornstein des Krematoriums. – mit solchen Worten begrüßte sie der Lagerführer Karl Fritzsch.

Knapp ein Jahr nach Kriegsbeginn ordnete Reichsfüher SS Heinrich Himmler am 27. April 1940 den Bau eines Konzentrationslagers in Auschwitz an. Das Ziel war präzise formuliert: die Ausrottung des polnischen Volkes. In den ersten zwei Jahren nach Errichtung des Lagers wurden dorthin vorwiegend Polen deportiert. Mit der Zeit wurde Auschwitz zu einem riesigen Lagerkomplex. Er bestand schließlich aus dem Konzentrationslager Auschwitz I (Stammlager), dem am 1. März 1942 in Betrieb genommenen Vernichtungslager Birkenau (Konzentrationslager Auschwitz II), das der industrialierten Vernichtung von größtenteils Juden diente und dem KZ Auschwitz III Monowitz. Dort mussten Häftlinge für die I.G. Farben AG Zwangsarbeit verrichten. Der Lagerkomplex umfasste darüber hinaus etwa 40 weitere Außenlager, wo den KZ-Insassen zugunsten der NS-Wirtschaft Schwerstarbeit abverlangt wurde.

Unerträglicher Hunger, mörderische Arbeit, Misshandlungen, Folter und pseudomedizinische Versuche waren in Auschwitz an der Tagesordnung. In den Häftlingen sahen die Deutschen keine Menschen mehr, sondern anstelle ihrer Namen nur nichts bedeutende Lagernummern. Daher nahmen die Lagerärzte skrupellos medizinische Experimente vor, in deren Verlauf die Häftlinge meist qualvoll starben. Eins davon war die sog. »Röntgenkastration«, bei der – zwecks Sterilisierung – männliche Hoden und weibliche Eierstöcke mit X-Strahlen bestrahlt wurden. Als Folge davon erlitten die Betroffenen im Intimbereich schwere Verbrennungen und am ganzen Körper eiternde, schlecht heilende Wunden.

Die das Lager bewachenden SS-Männer behandelten die ohnehin durch Unterernährung und Schwerstarbeit geschwächten Häftlinge auf brutalste Weise. Die von ihnen verhängten Strafen waren abgestuft. Zu den leichtesten Strafen gehörte das Schlagen mit einem Holzstock. Das geschah öffentlich, auf einem Tisch («Vollstreckungsmöbel«) in Anwesenheit aller beim Appell stehenden Blöcke. Die zweite mögliche Strafe war der „Stehbunker“. Wer sie bekommen hatte, wurde mit drei anderen Häftlingen über Nacht in einen 1m² großen Raum gezwängt, wo es kaum Platz und Luft zum Atmen gab. Am Morgen wurden die vier Häftlinge freigelassen und zur Arbeit mitgenommen, um für die nächste Nacht wieder eingeschlossen zu werden. Das Strafmass betrug normalerweise fünf Nächte, konnte aber auch erheblich höher sein. Die dritte Strafe war der „Pfahl“. Der Aufgehängte, dessen Hände hinter dem Rücken zusammengebunden waren und dessen Füsse den Boden nicht berührten, musste in dieser Haltung mehrere Stunden ausharren. Dies hatte die Auskugelung der Schultern zur Folge, so dass der Häftling nicht mehr arbeitsfähig war, was wiederum den Tod in der Gaskammer bedeutete.

Die Vergasung zählte zu einer der vielen Methoden der Tötung der KZ-Insassen. Umgebracht wurden sie auch durch Erschießen, öffentliches Erhängen oder durchs Verhungern. Insgesamt haben die Deutschen in Auschwitz etwa 1,1 Mio. Menschen ermordet: Personen unterschiedlicher Weltanschauung, Bildung sowie verschiedenen Glaubens. Es waren Männer, Frauen, Kinder und alte Leute, die 20 Nationen angehört hatten.

Solche verbrecherischen Aktivitäten betrieben die Deutschen nicht nur im KZ Auschwitz, sondern auch in anderen KZs in den von ihnen besetzten Gebieten Polens. 1940 wurde in Schlesien das KZ Groß-Rosen errichtet, in dem bis 1945 ca. 40 Tsd. Menschen ermordet wurden. Groß-Rosen folgte dann 1941 das KZ Majdanek (offiziell: KL Lublin) mit einer Gesamtopferzahl von etwa 80 Tsd. Ebenfalls zu nennen sind: KL Plaszow (ca. 7–8 Tsd. Opfer), KL Stutthof (ca. 63 Tsd. Opfer) und KL Warschau (ca. 20 Tsd. Opfer). Die Lagerführung bildeten Angehörige der SS, zu den sog. Funktionshäftlingen »avancierten« deutsche Berufsverbrecher, die vorher in den im Reich gelegenen KZs inhaftiert worden waren.

Eine besondere Kategorie der Lager im deutsch besetzten Polen stellten die Vernichtungslager dar. Sie wurden in erster Linie zwecks sofortiger Liquidierung aller europäischen Juden erbaut. Dort kamen aber auch Sinti und Roma sowie sowjetische Kriegsgefange um. Zu den «klassischen« Vernichtungslagern zählen heutzutage Kulmhof am Ner, Belzec, Sobibor und Treblinka, die ab Ende 1941 (Kulmhof) und ab 1942 (Belzec, Sobibor und Treblinka) betrieben wurden. Das KL Auschwitz und KL Lublin sind dagegen sowohl als Konzentrations- als auch als Vernichtungslager einzustufen.

Die Vernichtungslager dienten dem Zweck, möglichst viele Personen in möglichst kurzer Zeit zu töten. In Kulmhof am Ner wurden die Opfer in sog. Gaswagen umgebracht, die man als fahrbare Gaskammern einsetzte. Den Tod bewirkten die durch Kfz-Motoren produzierten Abgase, die in die dicht verschlossenen Transportfahrzeuge eingeleitet wurden. Auf diese Art und Weise kamen 200 bis 300 Tsd. u.a. deutsche, österreichische, französische, belgische oder holländische Juden ums Leben. Zu den Ermordeten zählten ebenfalls polnische Bewohner von Pflegeheimen aus Lodz (polnisch: Łódź) und Leslau (polnisch: Włocławek) sowie polnische Kinder aus der Region Zamość. Die meisten Opfer von Belzec (450 Tsd.) und Sobibor (170-180 Tsd.) waren jüdischer Abstammung. Dasselbe gilt für das Vernichtungslager Treblinka, dem größten nationalsozialistischen Vernichtungslager im deutsch besetzten Polen. Die Gesamtzahl der dort ermordeten Menschen liegt deutlich über 800 Tsd. Ab Dezember 1942 begannen die Deutschen, die Vernichtungslager Schritt für Schritt abzubauen. Die letzten existierten bis Januar 1945 und wurden dann aufgelöst. Die Gaskammern wurden zerstört, Teile der Baracken ließ man per Bahn transportieren. Die Gelände wurden umgepflügt und mit Gras bepflanzt…

Außer den Konzentrations- und Vernichtungslagern errichteten die Deutschen auf polnischen Gebieten unzählige andere Lager, von denen die Zwangsarbeitslager die häufigsten waren und bis zum Kriegsende existierten. Ihre Insassen wurden u.a. beim Straßenbau, beim Bau der Befestigungsanlagen oder in der Landwirtschaft eingesetzt. Die Todesrate unter den Häftlingen war enorm hoch – bedingt durch Hunger, Misshandlungen und katastrophale Lebensbedingungen.

Gepostete Bilder mit freundlicher Genehmigung des Staatlichen Museums Auschwitz-Birkenau

Witold Pilecki: Freiwillig nach Auschwitz, um über deutsche Greueltaten zu berichten

Auf unsere Köpfe schlugen nicht nur die Gewehrkolben der SS-Männer – es traf uns noch viel mehr. Unser gewohntes Weltbild samt den von uns geglaubten Werten wurden brutal mit den Füßen zertrampelt – so beschrieb Witold Pilecki, einer der größten Helden in der polnischen Geschichte, seine Ankunft im KZ Auschwitz. Er ging dorthin freiwillig, um unter Gefangenen den Widerstand zu organisieren sowie – als Augenzeuge – die Außenwelt zu informieren.

1940 wusste der Polnische Untergrundstaat wenig über die deutschen Aktivitäten in Auschwitz. Man hielt es für ein Internierungslager oder ein großes Gefängnis. Um Informationen über das Lager aus dem Inneren zu sammeln und dramatische Meldungen von Einzelpersonen über die dort stattfindenden Grausamkeiten glaubwürdig zu machen, wurde ein kühner Plan gefasst. Ein Untergrundsoldat soll sich nach Auschwitz einschleusen lassen. Der Kavallerie-Offizier Witold Pilecki, Teilnehmer des Polnisch-Sowjetischen Krieges (1919-21) und des Septemberfeldzuges (1939) meldete sich zur Ausführung dieser lebensgefährlichen Mission freiwillig.

Am 19. September 1940 ging er bei einer Razzia in Warschau auf die Straße und wurde zusammen mit anderen unschuldigen Zivilisten von den Deutschen gefangengenommen. Nach zwei Tagen, in der Nacht auf den 22. September, durchschritt Pilecki das Auschwitzer Lagertor mit der berüchtigten Aufschrift „Arbeit macht frei”. Auf seinem Unterarm wurde die ihm zugewiesene Häftlingsnummer 4859 tätowiert. – Die ersten Tage fühlte ich mich völlig benommen. Es war so, als wäre ich von der Erde auf einen anderen Planeten katapultiert worden – konstatierte Pilecki, unmittelbar konfrontiert mit der unvorstellbaren Brutalität der deutschen Lagerfunktionäre.

Ungeachtet dessen nahm er im KZ sofort eine konspirative Tätigkeigt auf. Pilecki hatte die Geheime militärische Organisation (polnisch Tajna Organizacja Wojskowa, kurz TOW) gegründet und geleitet. Organisierte Selbsthilfe unter Insassen, Verbesserung ihrer Moral und Kommunikation mit der Außenwelt waren ihre Hauptaufgaben. Die TOW arbeitete auch an der Vorbereitung ihrer Truppen auf einen Aufstand, der zum Ziel hatte, die Kontrolle über das Lager zu übernehmen. Pilecki und seine Leute lieferten der polnischen Heimatarmee regelmäßig Berichte über den Lageralltag. Dies geschah über Hältlinge, denen die TOW bei Fluchtversuchen half. Nach über zwei Jahren in der Hölle von Auschwitz entschloss Pilecki sich, selber die Flucht zu ergreifen, was ihm in der Nacht vom 26. zum 27. April 1943 in einer waghalsigen, minutös geplanten Aktion gelang.

Nach der Flucht verfasste Witold Pilecki einen detaillierten Bericht über die Zustände in Auschwitz und über die Aktivitäten der TOW. Zum Rittmeister (polnisch rotmistrz) befördert, setzte er in der Heimatarmee den Kampf gegen die deutschen Aggressoren fort, u.a. beim Warschauer Aufstand. Danach durchlitt er mit anderen Aufständischen das Stammlager (Stalag) Lamsdorf und das Offizierslager (Oflag) Murnau.

Nach Kriegsende kehrte Pilecki in das von der Roten Armee befreite Polen zurück. Zwar waren die Deutschen weg, aber für das Land bedeutete das keinen Sieg. Wie die meisten patriotisch gesinnten Untergrundsoldaten wollte Witold Pilecki kein sowjetisch dominiertes Vaterland. Daher setzte er seinen Kampf fort – diesmal gegen die kommunistischen Besatzer. Von den neuen Machthabern am 8. Mai 1947 festgenommen, während des Verhörs bestialisch gefoltert, wurde ihm anschließend ein Schauprozess gemacht. Abgestempelt als „Faschist“ und „Agent des Imperialismus“ und wegen angeblicher Spionage verurteilte das kommunistische Gericht den polnischen Helden zum Tode. Am 25. Mai 1948 wurde das Todesurteil durch Genickschuss vollstreckt.

Pileckis Auschwitz-Berichte waren die ersten glaubwürdigen Zeugnisse über das tragische Schicksal der KZ-Insassen sowie die dortigen deutschen Verbrechen, die offiziell in die Hände der Alliierten geraten sind. Doch diese blieben passiv, weil man seine Berichte für übertrieben hielt.

Pater Maximilian Kolbe: Freiwillig in den Tod, um einen Menschen und die Menschlichkeit zu retten

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Pater Maximilian Kolbe

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Der Hungerbunker

Franciszek GajowniczekAuschwitz-Häftling Franciszek Gajowniczek, für den Pater Kolbe in den Tod ging

Der 29. Juli 1941 im KZ Auschwitz. Die Sirenen heulen schrill. Die hart schuftenden Häftlinge horchen auf. Die Deutschen ordnen einen Sonderappell an. Alle Arbeitskommandos werden akribisch durchgezählt. Fazit: Ein Insasse vom Block 14A fehlt. Flucht aus dem KZ. Für die Lagerordnung ein klarer Fall. Für den Entflohenen müssen als Vergeltungsmaßnahme zehn Häftlinge mit dem Tod büßen.

Die Häftlinge des Blocks 14A stehen aufgereiht den ganzen Tag und die ganze Nacht still. Am darauffolgenden Morgen erscheint vor den wegen der nächtlichen Kälte durchgefrorenen Männern der Lagerführer Karl Fritzsch. Er geht langsam durch die Reihen, fixiert alle mit den Augen, deutet ab und zu mit der Hand auf einen Unglücklichen hin und sagt: »Du!« So sortiert er zehn Häftlinge für den Hungertod im berüchtigten »Hungerbunker« des Blocks 11 aus. Einer von ihnen ist Franciszek Gajowniczek, Sergeant der polnischen Armee, Teilnehmer des Septemberfeldzuges 1939 und aktives Mitglied der polnischen Untergrundbewegung.

Ich war vollkommen fassungslos. Ich brach in lautes Wehklagen um meine Frau und meine Kinder aus, erinnert er sich Jahre danach. Bis zum Kriegsende blieb der 1995 verstorbene Gajowniczek KZ-Insasse, zuletzt im KZ Sachsenhausen, wohin er im Oktober 1944 verlegt worden war.

Plötzlich kommt Bewegung in die Gefangenen. Einer von ihnen verlässt seine Reihe und bahnt sich den Weg nach vorn. Ein unerhörter, sonst von den Deutschen im Lager mit der sofortigen Erschießung bestrafter Frevel. Aber diesmal – wie durch ein Wunder – geschieht nichts. Der Franziskaner Maximilian Kolbe steht nun von Angesicht zu Angesicht Fritzsch gegenüber und bittet diesen, den Platz von Gajowniczek einnehmen zu dürfen.

Was will dieses polnische Schwein?, fragt der wütende SS-Hauptsturmführer seinen Assistenten.
Ich möchte anstelle dieses Gefangenen sterben, erwidert Kolbe und weist auf Gajowniczek hin.
Wer bist du?
Ein polnischer katholischer Priester.
Warum wollen Sie für ihn sterben?, fragt der Lagerführer nach. Auf einmal siezt er den Häftling, eine in deutschen Konzentrationslagern undenkbare Sache.
Er hat Frau und Kinder.
Bitte gewährt!

Die zehn Männer werden zum »Hungerbunker« abgeführt. Kolbe geht als Letzter und unterstützt dabei einen Leidensgenossen, der schwach auf den Beinen ist. Alle zehn werden nackt in eine kleine Zelle eingepfercht, um dort langsam zu verhungern. Nach einigen Tagen wird die Bunkertür aufgemacht, um die Leichen zu beseitigen. Es stellt sich heraus, dass Pater Kolbe noch am Leben ist. Seinem Leben wird durch eine Phenolspritze, die der Funktionshäftling Hans Bock ihm injiziert, am 14. August 1941 endgültig ein Ende gemacht. Am nächsten Tag wird der Körper im Krematorium verbrannt.

Die Aufopferung des polnischen Priesters zeigt, wie stark Nächstenliebe sein kann – selbst an dem von einer schrecklichen Schändung der menschlichen Würde so geprägten Ort wie Auschwitz. 1971 wurde der Ordensbruder durch Papst Paul VI. seliggesprochen. Bei der Heiligsprechung am 10. Oktober 1982 durch den polnischen Papst Johannes Paul II., bei der auch Franciszek Gajowniczek zugegen war, wurde der Märtyrertod des Franziskaners anerkannt. Der freiwillige Tod von Maximilian Kolbe war ein Siegesakt. Die Menschenliebe errang einen Sieg dort, wo Hass und Menschenverachtung zu triumphieren schienen, hieß es in der Papstpredigt.

Gepostete Bilder stammen aus dem Niepokalanów-Archiv

Polnische Helden. Die Gerechten in grausamen Zeiten

In keinem anderen der von den Deutschen in der NS-Zeit besetzten Länder wurde die Hilfe für Juden so unerbittlich verfolgt und bestraft wie in Polen. Trotzdem haben tausende Polen ihre jüdischen Nachbarn vor der Schoah gerettet.

»Juden, die das ihnen zugewiesene Wohngebiet unbefugt verlassen, werden mit dem Tode bestraft. Die gleiche Strafe trifft Personen, die solchen Juden wissentlich Unterschlupf gewähren. Anstifter und Gehilfen werden wie der Täter, die versuchte Tat wird wie die vollendete bestraft«, so hieß es im Wortlaut der Verordnung über Aufenthaltsbeschränkung im Generalgouvernement vom 15. Oktober 1941. Auf dem 1939 bis 1945 vom Deutschen Reich militärisch besetzten Gebiet der Zweiten Polnischen Republik unter dem Generalgouverneur und NSDAP-Funktionär Hans Frank wurde dies gnadenlos durchgesetzt. Die Todesstrafe wurde auch beim kleinsten Versuch der Judenrettung verhängt. Die Höchststrafe galt sogar für das Wissen um einen sich versteckenden Juden.

Trotz der Bedrohung durch die Todesstrafe waren viele Polen bereit, Juden zu unterstützen. Die geleistete Hilfe hatte häufig einen individuellen Charakter, nahm aber auch organisierte Strukturen an. Im Dezember 1942 wurde der Hilfsrat für Juden (polnisch Rada Pomocy Żydom „Żegota”) gegründet. In Zusammenarbeit mit dem zivilen Bereich des Polnischen Untergrundstaates gaben sich beide Organisationen Mühe, die Juden mit Medikamenten und Nahrung zu versorgen sowie für sie Unterschlüpfe und gefälschte Urkunden zu beschafften.

Die Zahl der polnischen Judenretter ist schwer zu berechnen. Um ein jüdisches Leben zu retten, mussten laut Schätzungen vieler Historiker über 10 Personen konspirativ zusammenarbeiten. Das bestätigen Zeitzeugenberichte wie etwa der der polnischen Schriftstellerin und Journalistin Hanna Krall, die das Warschauer Ghetto überlebte. In ihrem Text »Das Spiel um mein Leben« (polnisch: »Gra o moje życie«) schreibt sie: »Im Spiel um mein Leben wurden 45 Menschenleben aufs Spiel gesetzt.« Man nimmt an, dass sich insgesamt einige tausend Polen auf unterschiedliche Art und Weise an der Rettung von Juden beteiligten. Ihr Leben riskierten alle Schichten der polnischen Gesellschaft: Akademiker, einfache Arbeiter und Bauern, sowohl Großstädter als auch Dorfbewohner.

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Genauso schwer abzuschätzen ist die Zahl der Polen, die infolge der Rettung der Juden ihr Leben lassen mussten. Die jüngsten Untersuchungen dokumentieren ca. 760 Fälle von Personen, die aus diesem Grund von den Deutschen getötet wurden. Viel höher ist dagegen die Zahl derer, die man dafür inhaftiert oder in ein KZ deportiert hat. Eines der tragischsten und symbolischsten Beispiele für die Aufopferung für jüdische Mitbürger ist die Familie Ulma aus dem kleinen Dorf Markowa. Da die Ulmas im Haus acht Juden versteckten, wurden alle Familienmitglieder – Józef Ulma, seine schwangere Frau und ihre sechs Kinder – von den Deutschen ermordet.

Das Heldentum der polnischen Judenhelfer dokumentiert Yad Vashem – »die Gedenkstätte der Märtyrer und Helden des Staates Israel im Holocaust«. Mit der Medaille »Gerechter unter den Völkern«, auf der der signifikante Spruch »Wer auch nur ein Leben rettet, rettet die ganze Welt« eingraviert ist, sind bisher über 6.620 Polen ausgezeichnet worden. Das ist die größte Anzahl von nicht jüdischen Einzelpersonen, die während des Zweiten Weltkrieges ihr Leben einsetzten, um Juden vor der Ermordung zu retten. Die lebendige Erinnerung an die heldenhafte Haltung der Polen sind unzählige Bäume, die in der »Allee der Gerechten unter den Völkern« in Yad Vashem gepflanzt wurden.

Die Ulmas. Symbol des polnischen Heldentums angesichts deutscher Bestialität

Sie waren eine liebevolle Familie. Er arbeitete hart, um seine Familie zu ernähren, sie war Hausfrau, kümmerte sich um Haushalt und Kinder. Ihre außerordentliche Haltung während der deutschen Besatzung in Polen machte sie zum Symbol des Heldentums. Zum Symbol für alle Polen, die für die Rettung der Juden ihr Leben opferten.

Die Ulmas wohnten in Markowa im Südosten Polens. Obwohl Józef nur vier Klassen der Volksschule und einen Kurs für Landwirte absolviert hatte, war er ein vielseitig begabter Mensch. Er war u. a. Gerber, Imker und Fotograf und züchtete Obstbäume und Seidenraupen. Unentgeltlich arbeitete er in einer Bibliothek. Seine Frau Wiktoria war mit den sechs Kindern voll eingespannt. Die Ulmas führten zwar ein bescheidenes, aber ein ruhiges und glückliches Leben. Sie setzten es aufs Spiel, als sie Mitte 1942 zwei sich versteckenden jüdischen Familien – insgesamt acht Personen – in ihrem Haus Unterschlupf gewährten. Józef und Wikoria waren sich bewusst, dass sie diesen Schritt mit dem Tod bezahlen müssen, sollten die Deutschen davon erfahren. Gemäß der damals geltenden Gesetze wurde die Todesstrafe – Sippenhaftung inklusive – beim kleinsten Versuch der Rettung von Juden verhängt.

Am kühlen Morgen des 24. März 1944 fuhren vor das Haus der Ulmas vier Fuhrwagen vor. Die Angekommenen waren acht deutsche Gendarmen und die sog. Blaue Polizei (von der deutschen Verwaltung aufgestellte Polizeieinheiten, die aus Mitgliedern der Vorkriegspolizei Polens gebildet wurden). Während die polnischen Polizisten draußen blieben, handelten die Deutschen schnell und rücksichtslos. Sie drangen ins Haus ein und brachten sofort alle versteckten Juden um. Anschließend schleppten sie Józef und die hochschwangere Wiktoria auf den Hof und erschossen sie vor den Augen ihrer Kinder. Für die sechs Kinder kannten die Verbrecher ebenfalls keine Gnade. Die achtjährige Stanisława, der fünfjährige Władysław, der vierjährige Franciszek, der dreijährige Antoni und die anderthalbjährige Maria teilten bald das Schicksal ihrer Eltern. Seht, wie die polnischen Schweine verrecken, die die Juden versteckten, soll einer der Gendarmen, Joseph Kokott, bei der Exekution gerufen haben.

Was veranlasste die Ulmas, ihr Leben zu riskieren, um andere zu retten? Niedrige Beweggründe wie etwa die Absicht, sich zu bereichern, kann man zweifellos ausschließen, weil bei den ermordeten Juden viele Ersparnisse gefunden wurden. Alles deutet darauf hin, dass das Hauptmotiv ihrer Handlung schlicht und einfach das Mitgefühl für ihre jüdischen Nachbarn war. Józef Ulma half bereits zuvor einer anderen vierköpfigen jüdischen Familie, die sich im nahe gelegenen Wald versteckt hatte. Er baute für sie ein Grubenhaus und versorgte sie regelmäßig mit Essen. Die Deutschen entdeckten das Versteck jedoch und brachten die Juden um; den Helfer konnten sie nicht ausfindig machen.

Von den Werten, von denen die Ulmas sich haben leiten lassen, zeugt die bei ihnen zu Hause gefundene Bibel, in der zwei signifikante Fragmente markiert wurden. Das eine war das unterstrichene Kapitel »Das Gebot der Liebe. Der barmherzige Samariter«, das andere die Frage: »Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten?«.

1995 wurden Józef und Wiktoria Ulma postum mit der Medaille »Gerechter unter den Völkern« geehrt. 2010 hat sie der polnische Präsident Lech Kaczyński mit dem Orden der Wiedergeburt Polens »Polonia Restituta« ausgezeichnet. Im Vatikan findet zurzeit der Akt der Seligsprechung der Familie statt. In Markowa wurde im März 2016 das den Namen der Familie tragende Museum der polnischen Judenretter eröffnet.

Gepostete Bilder mit freundlicher Genehmigung des Familie Ulma-Museums der polnischen Judenretter in Markowa

Gründe, warum die Formulierung «polnische Todeslager« den Polen Unrecht tun

Ausländische Medien verwenden relativ oft die unkorrekte Wortfügung »polnische Todeslager/polnische Konzentrationslager«. Das Außenministerium der Republik Polen hat allein 2008-2014 über 600 Mal gegen diese Formulierung eingreifen müssen. Dieser unwahre Ausdruck wurde von Massenmedien in 36 Ländern benutzt – am häufigsten in den Vereinigten Staaten (110), in Großbritanien (97) und Deutschland (77).

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