Der Umbruch ist gekommen

Foto Institut für Nationales Gedenken

Über Jahre haben wir es versäumt, über unsere außergewöhnliche Geschichte zu berichten. Über das Phänomen des Polnischen Untergrundstaates, über die heldenhaften Soldaten der Heimatarmee. Über die Tatsache, dass Polen mit den Aggressoren nie kollaboriert hat.

Ein Gespräch mit Dr. Jarosław Szarek, dem Leiter des Instituts für Nationales Gedenken (polnisch Instytut Pamięci Narodowej IPN)

Eine der wichtigsten Aufgaben des IPN ist es, der Verbreitung von historischen Lügen entgegenzuwirken. Wie wird das Institut unter Ihrer Leitung diese Aufgabe erfüllen?

Das IPN hat über 2200 Mitarbeiter, darunter viele renommierte Wissenschaftler. Dieses riesige Potenzial möchten wir nutzen, um vor allem langfristige bildungsbezogene Aktivitäten durchzuführen, die die jüngste polnische Geschichte bekannter machen. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, die wahre Geschichte Polen weltweit zu verbreiten. Das können wir jedoch nur dann erreichen, wenn wir uns zuerst selbst diese Geschichte erzählen.

Wie will das Institut sie vermitteln?

Vor allem dadurch, dass wir als Erstes mit der sog. Pädagogik der Beschämung, die jahrelang kultiviert wurde, Schluss machen. Die nationale Identität muss auf einer positiven Überlieferung basieren. Dies ist sogar in der Präambel der Verfassung der Republik Polen festgelegt, in der es heißt, wir seien verpflichtet, alles Wertvolle aus dem über tausendjährigen Erbe an die kommenden Generationen weiterzugeben.

Die Periode seit der Wende, also seit den 1990er Jahren, war vor allem eine Zeit der Flucht vor der Geschichte. Wenn überhaupt, dann wurden hauptsächlich nur die dunklen Kapitel der Geschichte gezeigt. Sprüche wie etwa „Wählen wir die Zukunft!” waren sehr attraktiv und halfen dabei, Wahlen zu gewinnen. Es dominierte die Botschaft, das Polentum sei eine Last und wir müssten Europäer werden. Eine der Konsequenzen solch einer Einstellung ist heutzutage die Verbreitung des Begriffs «polnische Konzentrationslager«. Hätten wir damals dagegen entschieden protestiert, würde es heute niemand wagen, deutsche Lager, deutsche Todesfabriken als «polnisch« zu bezeichnen.

Über Jahre haben wir es versäumt, über unsere außergewöhnliche Geschichte zu berichten. Über das Phänomen des Polnischen Untergrundstaates, über die heldenhaften Soldaten der Heimatarmee. Über die Tatsache, dass Polen mit den Aggressoren nie kollaboriert hat. Bisher haben wir keinen Film über den Rittmeister Witold Pilecki gedreht, der von den westlichen Historikern für einen der sechs tapfersten Menschen des Zweiten Weltkrieges gehalten wird.

Wann beginnen wir, das Versäumte nachzuholen?

Das passiert gerade. Hauptsächlich dank der jungen Generation, die sich stark für die polnische Geschichte einsetzt. Die jungen Leute tragen stolz T-Shirts in den Nationalfarben oder mit patriotischen Symbolen. Dank ihnen wird der Patriotismus wieder alltäglicher.

Die Änderung der Sichtweise sowie der Geschichtsauffassung sieht man auch auf anderen Ebenen. Als Beispiel können unsere diplomatischen Vertretungen angeführt werden. Jetzt unterstützen sie viel besser die Auslandspolen, die gegen die Formulierung «polnische Lager« protestieren. Früher war das nicht immer der Fall. Ein anderes Beispiel ist das Danziger Museum des Zweiten Weltkrieges. Ursprünglich sollte es den Krieg universell darstellen. Heute hat man die Notwendigkeit erkannt, dass das Museum die Kriegsgeschichte aus polnischer Perspektive zeigen soll.